Montag, 26. November 2012

Story #6

Eine Traumstory

  Die Straßen waren leer. Niemand war da, als es mich wieder traf. Ein Stich in meinem Herzen, der nicht mehr aufhörte. Und schlimmer als sonst. Das rief mich wach, sodass ich nun endlich zum Arzt ging.
  Ich bin noch nicht 18, ich bin jung und habe keine Ahnung. Und mein Arzt sagte nichts. Er rief meine Mutter an und stellte eine Überweisung fertig und wir fuhren nach Hamburg in ein Krankenhaus, das auf Herzen spezialisiert war. Was sollte ich hier?
  Ich wurde stationär aufgenommen und durchwanderte eine Reihe Tests. 1/2 Stunde auf dem Laufband, Langzeit-EKG, Röntgenaufnahmen und Bluttests. Ständig wurde mein Herz abgehört. Verdammt, warum redete nur keiner mit mir?!
  Die 4 Tage hier hatten mich aufgeregt, denn niemand sagte mir die Wahrheit. Das Essen kam mir nährstoffarm vor, aber man konnte es zumindest sich reinstopfen. Und dann kam sie, meine Ärztin. Ich sah das Gesicht meiner Mutter durch das Fenster in der Tür. Sie schien schon längst alles zu wissen.

  Mein Kopf dröhnte, die Worte flogen um mich herum. All die Jahre hatte meine Mutter gesagt, ich wäre nicht wirklich krank, ich würde mir das alles nur einbilden, ich wolle nur Aufmerksamkeit. Aber hier war es, hier war das, was Jahre lang in mir schlummerte. Es fraß mich von Innen auf und erst jetzt war die Zeit gekommen, dass sich jemand ansah, was dort passierte.
  "Beim nächsten Anfall könnte es sein, dass dein Herz aussetzt, das Blut sich darin sammelt und es aufreißt..." Der nächste Anfall? Waren das Stechen in meinem Herz und das Ringen nach Luft Anfälle gewesen? Hatte ich so lange das ignoriert?
  Meine Mutter kam herein, doch ich schickte sie wieder weg. Sie sollte besser nach Hause gehen, bevor ich ihr alles vorwerfen würde.
  "Wann könnte der nächste Anfall kommen?"
  "In einer Woche vielleicht schon."
  "Ok. Ich krieg das hin, ich werd das...hinkriegen."
  "Du darfst die Station leider nicht verlassen, das würde für dich eine höhere Angreifbarkeit auf dein Herz und deine Lunge bedeuten. Tut mir leid, aber es geht nicht."
  Ich starrte vor mich hin. Also würde ich meine letzten Tage hier verbringen? In diesem Krankenzimmer, mit dem Dino an der Wand? Schreiende Kinderstimmen auf dem Flur und miesgelaunte Schwestern?

  Die nächsten zwei Tage blieb ich überwiegend allein. Meine Mutter war nach Hause gefahren, so wie ich es wollte und vorerst besuchte mich niemand. Ich redete mit niemandem und wollte es auch nicht. Jeden Tag wurde mir wieder Blut abgenommen, den ganzen Tag war ich mit diesen Elektroden beklebt.
  Ich stieg in die Dusche, Kathleen nahm mir die Elektroden ab, legte das EKG-Gerät zur Seite und ging aus dem Badezimmer. Ich stellte das Wasser an. Beim Duschen kann ich gut denken und plötzlich wusste ich, was ich machen wollte. Als ich fertig war trocknete ich mich sorgfältig ab. Kathleen kam herein, klebte mir die Elektroden wieder an und verschwand dann wieder.
  Als ich mich angezogen hatte, besprach ich alles mit meiner Mutter am Telefon. Ich listete einen Haufen Namen und Adressen auf und gab die Liste ihr. Jedem hatte ich eine persönliche Nachricht hinterlassen. Manches waren Worte, die ich vorher nie ausgesprochen hatte. Ich legte sie ihr in die Hand und bat sie kein einziges Wort davon zu ändern. Ab dann zeichnete ich nur noch. Und endlich bekam ich das Bild fertig, an dem ich schon so lange saß.

  Nach 4 Tagen war es soweit. Ich bekam einen Anfall, die Ärzte versuchten mit dem Defibrilator und Adrenalinspritzen mich am Leben zu erhalten, doch mein Herz setzte aus. Meine Lunge gab auf, mein Herz zerriß und ich starb. Und plötzlich war ich leicht.

  Ein weißer Umschlag mit schwarzem Rand erreichte ihn. Eine Todesbotschaft, er wollte sie am liebsten gar nicht öffnen. Sein Herz blieb fast stehen, als er die Karte las:
Du warst der wichtigste Mensch in meinem Leben, und ich wünsche mir, dass du an meiner Beerdigung teilnimmst.
Liebe Grüße
Leyla

Song zur Story

2 Kommentare:

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